Das Thema der kostenfreien Herausgabe von Patientenakten sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Diskussionen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat nun mit einem klaren Urteil in der Rechtssache C-307/22 vom 26. Oktober 2023 die datenschutzrechtliche Rechtslage gestärkt und klargestellt: Die erste Kopie der Patientenakte muss kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.
Hintergrund: Streit zwischen DSGVO und BGB
Seit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 wurde häufig darüber gestritten, ob Verantwortliche eine Aufwandsentschädigung für die Herausgabe von Patientenakten verlangen dürfen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht gemäß § 630g Absatz 2 BGB eine solche Kostenerstattung vor.
Mit der DSGVO wurde allerdings ein kostenfreies Auskunftsrecht eingeführt, das Vorrang vor nationalem Recht hat. Viele Verantwortliche beriefen sich dennoch auf die BGB-Regelung, was immer wieder zu Beschwerden führte.
Die niedersächsische Datenschutzbehörde vertrat von Anfang an die Auffassung, dass eine kostenfreie erste Kopie nach der DSGVO herauszugeben ist – unabhängig vom Verwendungszweck der Daten.
Die Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat mit seinem Urteil wichtige Grundsätze festgelegt:
- Kostenfreiheit der ersten Kopie Die erste Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten muss unentgeltlich bereitgestellt werden, unabhängig von zusätzlichen Regelungen im nationalen Recht.
- Keine Zweckbindung Betroffene müssen ihren Antrag auf Kopie nicht begründen. Der mit dem Antrag verfolgte Zweck – etwa die Vorbereitung eines Rechtsstreits – ist irrelevant.
- Vollständige Aktenkopie bei Bedarf Die vollständige Patientenakte ist dann herauszugeben, wenn dies erforderlich ist, um die verarbeiteten personenbezogenen Daten zu verstehen. Dazu gehören Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Behandlungspläne und ähnliche Dokumente.
Was bedeutet das für Betroffene und Verantwortliche?
- Für Patientinnen und Patienten Sie können ihre Patientenakte kostenfrei einsehen und eine Kopie der gesamten relevanten Daten anfordern, ohne eine Begründung vorlegen zu müssen.
- Für Verantwortliche Verantwortliche, wie Arztpraxen oder Krankenhäuser, müssen sicherstellen, dass Anfragen nach der DSGVO bearbeitet werden. Nationale Regelungen, die Kosten vorsehen, sind in diesen Fällen nicht mehr anwendbar.
Fazit: Ein Meilenstein für den Datenschutz
Das EuGH-Urteil stärkt die Rechte von Betroffenen und betont den Vorrang der DSGVO vor nationalem Recht. Die Klarstellung schafft endlich Rechtssicherheit für alle Beteiligten und unterstreicht die Wichtigkeit des freien Zugangs zu personenbezogenen Daten.
Dieses Urteil ist ein Schritt in Richtung transparenterer Prozesse im Gesundheitswesen und ein wichtiges Signal für den Datenschutz in Europa.