Die Europäische Kommission plant eine neue Verordnung zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet – bekannt als „Chatkontrolle“. Diese soll Anbieter von Online-Diensten verpflichten, die Kommunikation ihrer Nutzer systematisch zu überwachen. Doch die Datenschutzkonferenz (DSK) und viele Kritiker äußern erhebliche Bedenken, da die Maßnahmen in ihrer aktuellen Form grundlegende Rechte gefährden könnten.
Was ist die Chatkontrolle?
Bereits seit 2014 ermöglicht eine Übergangsverordnung Anbietern von E-Mail- und Messenger-Diensten, Kommunikationsinhalte automatisiert auf Hinweise zu sexuellem Missbrauch zu durchsuchen. Dieser freiwillige Einsatz von Technologien wurde bisher durch die Verordnung von den Datenschutzanforderungen entbunden.
Die geplante Verordnung der Europäischen Kommission geht jedoch einen Schritt weiter:
- Pflicht statt Freiwilligkeit: Alle Anbieter von Kommunikationsdiensten – einschließlich Hosting- und Internetzugangsdiensten – sollen verpflichtet werden, Kommunikationsinhalte auf verdächtiges Material zu prüfen.
- Risikoanalysen und Maßnahmen: Anbieter müssen potenzielle Risiken bewerten und Maßnahmen ergreifen, um Missbrauchsmaterial zu erkennen, zu melden und zu entfernen.
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in Gefahr: Anfangs sollte die Verpflichtung selbst verschlüsselte Kommunikation umfassen. Dies hätte Anbieter gezwungen, die Verschlüsselung zu umgehen und so die Vertraulichkeit der Kommunikation auszuhebeln.
DSK: Massive Grundrechtseingriffe
In ihrer Entschließung vom 17. Oktober 2023 warnte die DSK vor den weitreichenden Folgen der Chatkontrolle:
1. Unverhältnismäßige Überwachung
- Die geplanten Maßnahmen führen zu einer anlasslosen, verdachtsunabhängigen Überwachung aller Nutzer.
- Sie greifen tief in die Grundrechte auf Privatsphäre und Vertraulichkeit der Kommunikation ein.
2. Gefährdung der Verschlüsselung
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die bisher als Standard für sichere Kommunikation gilt, wäre untergraben worden.
- Obwohl das Europäische Parlament im November 2023 angekündigt hat, verschlüsselte Kommunikation von der Regelung auszunehmen, bleibt die Überwachung selbst unverschlüsselter Dienste problematisch.
3. Vorratsdatenverarbeitung
- Die geplante Speicherung und Analyse von Daten käme einer verfassungswidrigen Vorratsdatenspeicherung gleich.
Ein Balanceakt: Schutz vs. Überwachung
Die DSK betont, dass der Schutz von Kindern im Internet ein wichtiges Anliegen ist. Der geplante Ansatz der Totalüberwachung sei jedoch unverhältnismäßig und gefährde die Rechte der gesamten Gesellschaft. Stattdessen fordert die Datenschutzkonferenz, auf gezieltere und effizientere Maßnahmen zu setzen, die den Datenschutz wahren und Missbrauch dennoch effektiv bekämpfen.
Fazit: Kein Raum für Grundrechtsverletzungen
Die geplante Chatkontrolle verdeutlicht den Konflikt zwischen Sicherheitsinteressen und Grundrechten. Während der Schutz von Kindern höchste Priorität hat, darf dies nicht zulasten der Privatsphäre aller Bürger gehen.
Die DSK fordert, alternative Ansätze zu entwickeln, die den Datenschutz respektieren und gleichzeitig den Kampf gegen Kindesmissbrauch effizient gestalten. Der gesellschaftliche Diskurs bleibt entscheidend, um eine ausgewogene Lösung zu finden.