Betriebsrat und Datenschutz: BAG-Entscheidung zur Auskunftspflicht bei schwerbehinderten Mitarbeitern

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Beschluss vom 9. Mai 2023 (Az.: 1 ABR 14/22) eine wichtige Entscheidung zur Auskunftspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat gefällt. Es ging um die Frage, ob ein Betriebsrat die Namen und Anzahl schwerbehinderter Arbeitnehmer einfordern darf. Der Fall hat weitreichende Implikationen für Datenschutz, Betriebsverfassung und Arbeitnehmerrechte.

Hintergrund des Falls

Ein Betriebsrat forderte von einem Unternehmen, das im Entsorgungssektor tätig ist, eine Liste aller schwerbehinderten und gleichgestellten Arbeitnehmer im Betrieb. Ziel war es, die Einhaltung der Schutzpflichten des Arbeitgebers gemäß § 164 SGB IX sicherzustellen. Die Arbeitgeberin verweigerte jedoch diese Herausgabe mit dem Verweis auf den Datenschutz.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben dem Betriebsrat recht. Die Arbeitgeberin legte jedoch Rechtsbeschwerde beim BAG ein.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG entschied, dass der Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in Verbindung mit § 176 Satz 1 und § 164 SGB IX einen Anspruch auf die verlangte Auskunft hat. Dabei hob das Gericht hervor:

  1. Erforderlichkeit der Daten: Der Betriebsrat muss in der Lage sein, seine gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben zu erfüllen, darunter die Förderung der Eingliederung schwerbehinderter Menschen und die Überwachung der Einhaltung der Schutzpflichten des Arbeitgebers.
  2. Datenschutzrechtliche Legitimation: Die Herausgabe der Daten ist nach § 26 Abs. 3 BDSG zulässig, da sie für die Wahrnehmung einer rechtlichen Pflicht notwendig ist. Das BAG stellte fest, dass keine vorrangigen Datenschutzinteressen der betroffenen Arbeitnehmer entgegenstehen.
  3. Spezielle Schutzmaßnahmen: Damit der Datenschutz gewährleistet bleibt, muss der Betriebsrat angemessene Sicherheitsmaßnahmen zur Datenverarbeitung und -speicherung treffen. In diesem Fall hatte der Betriebsrat ein Datenschutzkonzept vorgelegt, das vom Gericht als ausreichend erachtet wurde.
  4. Geltung auch für leitende Angestellte: Das BAG stellte klar, dass auch leitende Angestellte unter die Schutzpflichten des Betriebsrats nach § 176 SGB IX fallen. Damit wird die Verantwortung des Betriebsrats auf diese Personengruppe ausgedehnt.

Bedeutung des Urteils für Unternehmen und Betriebsräte

Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen und Betriebsräte in Deutschland. Arbeitgeber sind nun verpflichtet, entsprechende Informationen bereitzustellen, sofern der Betriebsrat diese für seine Aufgaben benötigt. Dabei müssen jedoch geeignete Datenschutzmaßnahmen eingehalten werden.

Betriebsräte hingegen sollten sicherstellen, dass sie über ein solides Datenschutzkonzept verfügen, um den Schutz personenbezogener Daten zu gewährleisten.

Fazit: Rechte des Betriebsrats gestärkt – Datenschutz gewahrt

Das BAG hat mit diesem Urteil eine klare Linie gezogen: Der Schutz von schwerbehinderten Arbeitnehmern steht im Vordergrund, während Datenschutzrechte durch angemessene Maßnahmen gewahrt bleiben. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, Auskunftsansprüche des Betriebsrats nicht pauschal abzulehnen, sondern ihre Datenschutzmaßnahmen entsprechend anzupassen.

Wenn Sie Fragen zur Umsetzung dieses Urteils in Ihrem Unternehmen haben oder Unterstützung im Bereich Arbeitsrecht und Datenschutz benötigen, stehen wir Ihnen gern beratend zur Seite.

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