Der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 14. Januar 2025, Az. IX R 25/22) hat entschieden, dass eine Behörde oder ein Unternehmen keinen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO mit dem Argument eines unverhältnismäßigen Aufwands verweigern kann.
Dieses Urteil hat weitreichende Auswirkungen auf die Durchsetzung von Betroffenenrechten im Datenschutzrecht. Unternehmen und öffentliche Stellen müssen damit rechnen, dass auch umfangreiche Auskunftsersuchen nicht einfach abgelehnt werden dürfen.
1. Hintergrund des Falls
Der Kläger, ein Vorstand einer Aktiengesellschaft, forderte vom Finanzamt eine vollständige Auskunft über seine personenbezogenen Daten gemäß Art. 15 DSGVO.
✔ Das Finanzamt stellte nur eine begrenzte Auswahl an Informationen zur Verfügung und bot stattdessen Akteneinsicht an.
✔ Der Kläger forderte jedoch eine vollständige Kopie seiner personenbezogenen Daten und sah sein Recht auf umfassende Auskunft verletzt.
✔ Das Finanzamt lehnte eine weitergehende Bereitstellung der Daten mit Verweis auf einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand ab.
Nachdem das Finanzgericht die Klage abwies, hob der BFH das Urteil auf und stellte klar, dass ein unverhältnismäßiger Aufwand keine Rechtfertigung für die Verweigerung der Auskunft darstellt.
2. BFH-Entscheidung: Kein Verweigerungsrecht bei hohem Aufwand
Der BFH stellte klar, dass Art. 15 DSGVO einen umfassenden Auskunftsanspruch gewährt, der nicht ohne weiteres eingeschränkt werden kann.
🔹 Kein Einwand des unverhältnismäßigen Aufwands
- Art. 15 DSGVO sieht keine generelle Ausnahme für Behörden oder Unternehmen vor, wenn eine Auskunftserteilung mit hohem Aufwand verbunden ist.
- Auch bei großen Datenmengen muss der Verantwortliche eine vollständige und verständliche Auskunft erteilen.
🔹 Exzessive Anfragen müssen nachgewiesen werden
- Unternehmen oder Behörden dürfen eine Anfrage nur ablehnen, wenn sie offenkundig exzessiv oder rechtsmissbräuchlich ist.
- Die Beweislast dafür liegt beim Verantwortlichen – pauschale Ablehnungen sind nicht zulässig.
🔹 Akteneinsicht ersetzt keine vollständige Kopie
- Das Angebot einer Akteneinsicht reicht nicht aus, um den Auskunftsanspruch zu erfüllen.
- Der Betroffene hat das Recht auf eine vollständige Kopie seiner personenbezogenen Daten.
🔹 Ausnahme: Schutz der Rechte Dritter
- Eine Ablehnung ist nur möglich, wenn die Rechte und Freiheiten Dritter beeinträchtigt würden (z. B. wenn personenbezogene Daten Dritter betroffen sind).
Bedeutung des Urteils für Unternehmen und Behörden
Das Urteil hat direkte Auswirkungen auf die Praxis der Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO:
✔ Unternehmen und Behörden müssen vollständige Auskunft gewähren
- Es reicht nicht, nur eine Teilmenge der Daten bereitzustellen oder auf Akteneinsicht zu verweisen.
✔ Hoher Verwaltungsaufwand ist kein Ablehnungsgrund
- Die DSGVO schützt Betroffenenrechte stärker als die Interessen von Unternehmen oder Behörden.
✔ DSGVO-Auskunftsanfragen müssen sorgfältig geprüft werden
- Verantwortliche müssen Anfragen systematisch bearbeiten und sicherstellen, dass keine relevanten Daten ausgelassen werden.
4. Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Behörden
Um den Anforderungen des BFH-Urteils gerecht zu werden, sollten Verantwortliche folgende Maßnahmen umsetzen:
✅ Automatisierte Prozesse für Auskunftsanfragen einführen
- Datenschutzmanagement-Systeme können helfen, personenbezogene Daten gezielt zusammenzustellen.
✅ Interne Richtlinien für die Bearbeitung von DSGVO-Anfragen definieren
- Wer ist verantwortlich?
- Wie wird die Vollständigkeit der Daten geprüft?
- Wie erfolgt die sichere Bereitstellung der Informationen?
✅ Anfragen nicht pauschal ablehnen
- Klare und verständliche Formulierung der bereitgestellten Informationen.
- Falls bestimmte Daten nicht herausgegeben werden dürfen, muss dies rechtlich begründet werden.
Fazit: Stärkung der Betroffenenrechte durch den BFH
Mit diesem Urteil wird der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO erheblich gestärkt. Unternehmen und Behörden müssen sich darauf einstellen, dass sie umfangreiche Anfragen nicht einfach aus Kapazitätsgründen ablehnen können.
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